Jesus antwortete: Ich sage euch: „Wenn diese
schweigen, werden die Steine schreien!“
Lukas 19;40
Liebe Leserin, lieber Leser.
Mit diesem Spruch werden wir in diesem Jahr durch den Monat März geleitet.
Jesus antwortete. Wem antwortete er?
Der Vers steht in der Geschichte vom Einzug in Jerusalem, die das Passionsgeschehen eröffnet. Die Menge jubelte ihm zu. „Gelobt sei, der da kommt, der König im Namen des Herrn! Friede im Himmel und Ehre in der Höhe!“
Die Menschen priesen Jesus als den Vertreter
des Himmels!
So eine Jubelmenge ist mir immer ein wenig suspekt. Wenig später wird wieder eine Menge „Kreuzigt ihn!“ schreien. Ich denke an den Wandel der Menge in der Wendezeit. Aus „Wir sind das Volk!“ wurde sehr schnell „Wir sind ein Volk!“ Aus dem Ruf nach Freiheit wurde der Ruf nach Geld und Wohlstand.
So kann ich die Reaktion der Pharisäer verstehen. Sie wenden sich direkt an Jesus: „Mach, dass sie aufhören!“ Und Jesus antwortet,
Jesus lässt sich nicht von der Menge mitreißen. Er hat ein Ohr für die kritischen Stimmen und antwortet. Das ist für mich die erste Botschaft dieses Textes.
Aber er gibt den Pharisäern nicht recht. „Wenn diese schweigen, werden die Steine schreien!“ ist seine etwas merkwürdig anmutende Antwort. Das Volk lobt und preist Gott. Sie preisen Jesus als den von Gott kommenden König. Und wahrscheinlich, ohne es zu diesem Zeitpunkt zu wissen, preisen sie den, der die Liebe so konsequent lebt, dass er dafür sterben wird. Die Menge überblickt das nicht, aber Jesus weiß es.
Diese Wahrheit lässt sich nicht zum Schweigen bringen. Gottes Liebe ist bedingungslos. Und wer liebt, liefert sich dem Gegenüber aus. Wir sind Gottes Gegenüber. Er liefert sich uns aus. Jesus in dieser Liebe zu den Menschen zu folgen, ist unser Auftrag als Christen.
Wir sind nicht Jesus, aber wir sind seine Schüler, seine Jünger. Unser Auftrag ist es, Gottes Liebe in der Welt sichtbar zu machen. Ein Anfang dazu ist es zu beten, für die Menschen, mit denen wir es zu tun haben, für die Politiker, die in der Welt das Sagen haben, für die Opfer von Naturkatastrophen und Gewalt, die in der Welt leiden...
Am 5. März ist Weltgebetstag. Frauen aus Vanuatu haben ihn in diesem Jahr vorbereitet. Sie lenken unseren Blick in die Inselwelt der Südsee. Dort sind die Folgen der Klimakatastrophe schon heute zu spüren. Der Meeresspiegel steigt unaufhörlich, jedes Jahr mehrere Zentimeter, Die Inseln werden kleiner. Schon mussten Küstendörfer evakuiert werden. Die Menschen ziehen auf den Berg, um zu überleben. Die Frauen von Vanuatu lehren uns, auch das Gebet zur Bewahrung der Schöpfung ist ein Gebet der Liebe zu den Menschen.
Ich liebe Inseln, fahre seit Jahren nach Helgoland und war im vergangenen Jahr das erste Mal auf Hiddensee. Beide Inseln werden ebenfalls kleiner. Ganze Hänge brechen ab und werden vom Meer verschlungen. Auf beiden Inseln gab es in den vergangenen zwei Jahren ein durch die TroCckenheit verursachtes Massensterben der Sanddornbüsche, einer Pflanze, die ich bis dahin für unverwüstlich hielt. Auch bei uns lassen sich die Klimaveränderungen spüren, auf Inseln besonders deutlich.
Wir sind aufgerufen, unseren Gebeten Taten folgen zu lassen. Das Bewusstsein vieler Menschen ist in dieser Beziehung schon weiter geworden. Plastik wird in Frage gestellt, Bio- und Fairtradeprodukte haben den Weg in die Supermärkte gefunden, die Energiewende ist eingeläutet und wird zunehmend akzeptiert. Das ist gut, aber es genügt nicht. Es ist wichtig, nicht nachzulassen,
noch konsequenter zu werden.
Unsere Aufgabe als Christen ist es, die Liebe Gottes zur Welt sichtbar zu machen.
Und wenn es nötig werden sollte, sind wir der Welt ausgeliefert. Aber wenn wir schweigen, werden die Steine schreien!
Amen.
Eva-Maria Hollerung